Samstag, 6. November 2010

Kleiner Bruder.

Am Wochenende hab ich meine Freundin besucht. Mit Übernachtung. Irgendwann nachts kamen wir mit den Resten unserer Halloween-Verkleidung und Rote-Grütze- Kirschen im Gepäck nach Hause. Es gab eine Dusche in Rekordzeit, komischerweise mit zwei Seifen, zwei Shampoo-Flaschen und zwei Zahnbürsten. Irgendwann dann lag ich also auf dieser Matratze, die Welt hat sich gedreht und mein größter Wunsch war es, einzuschlafen. Allerdings fällt mir das in fremden Betten äußerst schwer und funktioniert sowieso nur mit guter Musik. Ich hatte meinen nagelneuen, wunderschön pinkfarbenen I-Pod in der Hand und suchte verzweifelt nach Einschlaf- Liedern. Ich wusste nicht, was ich zur Auswahl hatte, mein Bruder hatte ihn mir mit Musik bespielt. Ich sah die Interpreten- Liste durch und war überwältigt. Überwältig davon, wie viel Mühe er sich gegeben hatte. Überwältigt davon, wie gut er mich kannte. Er hatte sie alle. Die Gute- Laune- Songs wie Beginner und Kanye West. Die Sentimentalen wie SIA und Amy McDonald. Die ururalten und peinlichen Songs wie Charly Lownoise. Und selbstverständlich auch die Einschlafsongs.

Nun, das ist mein Song für dich. Vielleicht schreibst du ihn um, singst ihn mit deinen Bananen und eroberst damit die Bühnen die Welt.

Ich neige oft dazu, zu vergessen, dass du mich in-& auswendig kennst. In diesem Moment, auf dieser schäbigen Matratze, benebelt von den alkoholreichen Sauerstoffresten habe ich mich erinnert. Daran, wie wir aus einer mindestens ebenso schäbigen Matratze und einem Bettlaken ein Tipi gebastelt haben und mit Indianerkopfschmuck ununterbrochen darin lagen. Daran, wie du Theater gemacht hast, weil es Kartoffeln gab und bei Minusgraden auf der Terrasse gelandet bist. Ich musste daran denken, wie du mir mit dem Hammer auf den Kopf hauen wolltest und ich dich so auf den Badewannen- Rand gestoßen habe, dass du eine Platzwunde hattest. Ich dachte, ich hätte dich umgebracht. Ich hab mich erinnert, wie wir mit nagelneuem Führerschein und "Ice, ice Baby" durch die Stadt gefahren sind. Ich habe daran gedacht, wie du nachts in meinem Bett gelegen warst, als ich aus der Disko kam. Ich sollte dich wecken und mir von deinem heimlichen Schwarm erzählen lassen. Ich hab das auch versucht, ehrlich. Es kam aber leider nur noch verschlafenes Grummeln. In meinem Kopf waren die Stunden nach Smoky's Tod, als ich von dir verlangt habe, einfach nur neben mir zu sein. Ich habe mich an das Papierflugzeug erinnert, was mich überzeugen sollte, noch einmal mit dir, Mama und Papa anstatt mit Freunden in den Urlaub zu fliegen. Und daran, wie wir zwei Jahre später alleine im Flieger nach Paris saßen. Wie wir ein weiteres Jahr, einen Stimmbruch und viele Skype- Stunden später in einen Surfurlaub ohne Surfen aufgebrochen sind. Ich habe daran gedacht, wie wir meinen Geburtstag wie die Senioren mit unseren zwei C's, griechischem Essen und Wein gefeiert haben.
Das hier könnte ich ewig weiter führen. Aber das, was vielleicht noch viel wichtiger ist, ist das, was noch kommt. Wenn wir zu Opa's 80sten endlich unseren Sketch aufführen. Wenn wir die Schönste aller Linien durch den kanadischen Schnee ziehen werden. Und wenn wir in unserer WG Cola zum Frühstück trinken.


Du bist inzwischen vielleicht größer als ich. Aber mein kleiner Bruder bleibst du bist zum St.Immerleinstag....

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