Ich weine selten. Für ein Mädchen zumindest selten. Sehr viel seltener als früher. Naja, man wird erwachsen. Wozu sollte man noch weinen? Lösungen für Probleme sind gefragt. Nicht das Verzweifeln daran. Wenn ich weine, ist es meistens aus Freude. Oder weil ich gerührt bin. Nicht, weil ich traurig bin. Oder nicht weiter weiß. Dann versuche ich nämlich meistens, mich abzulenken. Wenn man weint, gibt man eben doch nur zu, dass alles in diesem Moment aussichtslos scheint. Ich gebe das sehr ungern zu. Deshalb weine ich nur selten.
Man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Männer wohl noch seltener als Frauen weinen. Sie sind zwar sensibel. Und empfindlich. Und lieben das Kränkeln. Und lassen sich noch lieber pflegen. Doch zum Weinen sind sie meistens zu stolz. Außer, es geht um lebenswichtige Dinge wie ein verlorenes Fußballspiel oder ein angefahrenes Auto. Denn in diesem Falle müssen sie ihrer Wut freien Lauf lassen. Da wäre es schwach, zuzugeben, dass es ja eigentlich gar nicht so schlimm ist, dass die Bayern jetzt doch gegen Hoffenheim verlieren. Oder dass die unreparierbare Delle (von der Frau angefahren) in Wahrheit eben doch nur ein kleiner Kratzer ist. In diesen Fällen sind die Tränen Teil ihrer Drama- Regie. Um ihre Wut zu unterstützen.
Sehr sehr selten allerdings sieht man Männer weinen, wenn es wirklich was gibt, für das sich das Weinen lohnt. Da wird der Kummer lieber in 17 Bier ertränkt oder bei einem flachen Fernseh- Abend mit den Kumpels erfolgreich verdrängt. In wirklich schwierigen Situationen weinen Männer nicht. Eben deshalb, weil es das eindeutige Indiz wäre, dass auch sie nicht mehr weiter wissen. Dass auch das starke Geschlecht am Ende seines Lateins ist. Sie haben das dann schwarz auf weiß. Nass auf trockener Haut sozusagen...
Heute habe ich dich weinen sehen. Du weinst vielleicht öfter als Andere. Allerdings auch nicht wirklich oft. Du bist so verzweifelt, alles scheint so aussichtslos. Du bist leer. Aber endlich weinst du. Du weinst nicht aus Trauer. Weil du keine Trauer fühlst. Du weinst nicht aus Freude. Weil du keine Freude fühlst. Du weinst auch nicht aus Verzweiflung. Weil du keine Verzweiflung fühlst. Du weinst, weil du nichts mehr fühlst. Weil du leer bist. Weil die Tränen deinen leeren Körper ausspülen können. Vielleicht schaffen wir es irgendwie, deinen Körper von all dem Gift in dir zu befreien. Mit ganz viel Zeit. Mit viel Geduld. Viel Kraft. Und mit vielen Tränen.
Ich helfe dir!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen